Ausgabe 6/2019, März

Thematischer Schwerpunkt: Reform des Polizeirechts

Abhandlungen

  • Christoph Enders, Leipzig, Verfassungsgrenzen der „drohenden Gefahr“ – Zur Ăśbertragung der MaĂźstäbe des BKA-Gesetz-Urteils des Bundesverfassungsgerichts auf das gesamte Gefahrenabwehrrecht

    Mit dem Begriff der „drohenden Gefahr“, den der Bayerische Gesetzgeber unlängst in das Bayerische Polizeiaufgabengesetz eingefügt hat, hat die Verlagerung der Gefahrenabwehr in das Vorfeld der konkreten Gefahr Einzug in das allgemeine Gefahrenabwehrrecht gehalten. Angesichts schwer berechenbarer terroristischer Bedrohung scheint es nicht länger angezeigt, ausnahmslos die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in jedem Einzelfall zum unverzichtbaren Erfordernis von Eingriffsmaßnahmen der Gefahrenabwehr zu erklären. Nur mit einer Vorverlagerung der Gefahrenabwehr lässt sich, so lautet die These, Sicherheit als Rahmenbedingung von Freiheit noch garantieren. Welche Konsequenzen mit dieser Vorverlagerung der Gefahrenabwehr für Behördenpraxis und gerichtliche Kontrolle verbunden sind, veranschaulicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG, die sich für ihren Verzicht auf das Erfordernis der konkreten Gefahr – wie die Novellierung des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes – auf die Grundsätze beruft, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum BKA-Gesetz vom 20. April 2016 entwickelt hat. Nicht nur wegen des spezifischen Kontextes der Terrorismusbekämpfung ist aber zweifelhaft, ob sich die Absenkung der Eingriffsschwelle wirklich auf das gesamte Gefahrenabwehrrecht übertragen lässt.

  • Simon Welzel/Maximilian Ellner, Berlin, Präventivgewahrsam bei drohender Gefahr? – Zum Begriff der drohenden Gefahr sowie den verfassungs- und menschenrechtlichen Anforderungen an den Präventivgewahrsam

    Der Beitrag nimmt die jüngsten Polizeirechtsnovellen zum Anlass, um zu untersuchen, ob es verfassungs- und menschenrechtlich zulässig wäre, eine Befugnisnorm zu erlassen, welche die Polizei bereits bei Vorliegen einer drohenden Gefahr zur präventiven Ingewahrsamnahme ermächtigt. Hierfür wird zunächst der vom Bundesverfassungsgericht eingeführte Begriff der drohenden Gefahr genauer in den Blick genommen und von der konkreten Gefahr sowie dem Gefahrverdacht abgegrenzt. Anschließend erfolgen die verfassungs- und die menschenrechtliche Prüfung. Die Verfasser kommen zu dem Ergebnis, dass eine entsprechende Befugnisnorm weder den Maßstäben des Grundgesetzes noch der europäischen Menschenrechtskonvention genügen würde.

  • Ulrike Zaremba, DĂĽsseldorf, Die neuen Befugnisse im nordrhein-westfälischen Polizeigesetz zum Erlass von Aufenthaltsgeboten, Kontaktverboten sowie zur Elektronischen AufenthaltsĂĽberwachung – Symbolgesetzgebung oder sicherheitspolitische Notwendigkeit?

    Im April 2018 brachte die nordrhein-westfälische Landesregierung den „Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Sicherheit in NW – Sechstes Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes des Landes NW“ (NW LT-Drs. 17/2351) in den Landtag ein. Hierdurch sollte zum Erlass von Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverboten und zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) ermächtigt werden. Die an bestehenden bayerischen Parallelregelungen insbesondere kritisierte Bezugnahme auf die „drohende Gefahr“ berücksichtigte der Änderungsantrag der Regierungsfraktionen (NW LT-Drs. 17/3865) teilweise. Nachfolgend wird hinterfragt, inwieweit das mit Wirkung zum 14. Dezember 2018 geänderte nordrhein-westfälische Polizeigesetz den Erlass von Aufenthaltsvorgaben, Kontaktverboten und EAÜ verfassungskonform legitimiert.

  • Julian Lubini, Dresden, Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Schwarzburg-Sondershausen (1912-1922)

    Schwarzburg-Sondershausen, bis 1918 Fürstentum, dann Freistaat, 1920 im Land Thüringen aufgegangen, ist als Staat des Deutschen Reiches heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Novemberrevolution beendete in Sondershausen eine immer weniger zeitgemäß verfasste konstitutionelle Monarchie, die aber kurz vor dem Ersten Weltkrieg noch eine Verwaltungsmodernisierung durchgeführt hatte, zu der auch eine landeseigene Verwaltungsgerichtsbarkeit gehörte. Die Schwarzburger Rechts- und Verwaltungsgeschichte ist noch wenig erforscht. Auch um den Blick einmal auf andere Landesteile als die der dominierenden Zentren Mitteldeutschlands zu lenken, beleuchtet der vorliegende Aufsatz mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit Schwarzburg-Sondershausens einen Instanzenzug, der dem vielbeachteten Thüringischen OVG in Jena vorgegliedert war.

Buchbesprechungen

  • Eugen Ehmann/Martin Selmayr (Hrsg.), Datenschutz-Grundverordnung: DS-GVO, Kommentar; 2. Auflage (Heinrich Amadeus Wolff)
  • Matthias Herdegen, Der Kampf um die Weltordnung – Eine strategische Betrachtung (Michael Fuchs)
  • Lutz Eiding/Jochen Hofmann-Hoeppel (Hrsg.), Verwaltungsrecht – Schriftsatzmuster und Erläuterungen; 2. Auflage (Thomas Drysch)

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen

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