Ausgabe 9/2010, Mai
Abhandlungen
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Michael Ronellenfitsch, Tübingen, Entstaatlichung des Rechtsschutzes? – Mediation vor der Garantie staatlicher Rechtsschutzgewährleistung
Dogmatische Reimporte aus den USA steigern die Neigung, die Imitation durch Exzesse auf die Spitze zu treiben. Das führt zu der im Thema unterschwellig zum Ausdruck gebrachten These, durch die Mediation werde der staatliche effektive Rechtsschutz gefährdet. Ein den gerichtlichen Rechtsschutz substituierendes Mediationsverfahren zeichnet sich gegenwärtig jedoch nicht ab. Eher gibt das Dogma vom effektiven Rechtsschutz dem Mediationsverfahren keine Chance. Das ist zu bedauern, da das Mediationsverfahren einen Beitrag zur Entlastung der Gerichte leisten und dadurch mittelbar die institutionelle Garantie des effektiven Rechtsschutzes stabilisieren könnte.
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Jan Philipp Schaefer, Heidelberg, Wie viel Freiheit für die Gegner der Freiheit? – Zum Wunsiedel-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Der demokratische Rechtsstaat muss um seines freiheitlichen Charakters willen Freiheit auch seinen Gegnern gewähren. Freiheit relativiert sich dadurch selbst und ist deshalb paradox. Dass die Freiheit des Individuums eine Grenze im Bestand der freiheitlichen demokratischen Grundordnung findet, ist verfassungsrechtlich anerkannt. Allerdings müssen Verlauf und Durchlässigkeit der Grenzlinie durch Gesetzgebung und Rechtsprechung für eine Vielzahl heterogener Fallkonstellationen im Einzelnen festgelegt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Wunsiedel-Beschluss zum Schutz des inneren Friedens den Grenzverlauf zwischen Freiheit und Bindung für den Bereich der Meinungsfreiheit neu vermessen. Seine Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit gerät dadurch in eine rechtsstaatlich bedenkliche Schieflage.
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Michael Schramm, Hamburg, Der europäische Verwaltungsverbund in der Telekommunikationsregulierung (§§ 10 ff. TKG) aus dem Blickwinkel des Rechtsschutzes
Die Regulierung der Telekommunikationsmärkte stellt ein Paradebeispiel eines europäischen Verwaltungsverbundes dar. Regulierungsmaßnahmen der Bundesnetzagentur sind durch präzise europäische Vorgaben geprägt und müssen in einem aufwändigen Verfahren mit der Kommission und den Regulierungsbehörden anderer Mitgliedstaaten abgestimmt werden. Diese Verbundelemente in das System des nationalen Verwaltungsrechts zu integrieren, stellt Verwaltung, Gerichte und Wissenschaft vor komplexe und nicht abschließend geklärte Fragen. Der Autor entwickelt anhand verschiedener prozessualer Konstellationen Vorschläge zur dogmatischen Erfassung dieser europäischen Mitwirkungsakte und zeigt die Konsequenzen für den Rechtsschutz auf.
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Jörg Windmann, Hannover, Der Verifikateur und der Aufsichtsbeamte als zentrale Elemente des Sachverständigen-Vollzugsmodells im Technikrecht
Der Beitrag setzt einen Aufsatz des Verfassers zu privatrechtlichen Kontrollmechanismen (DÖV 2008, 948) fort und ergänzt die Ausführungen zur Tätigkeit von Sachverständigen. Sachverstand wird über unterschiedliche Modelle in Verwaltungsverfahren eingebunden. Dogmatische Klarheiten verwischen in einem Blick auf die tatsächliche Praxis der Sachverständigen- und der behördlichen Tätigkeit. Insbesondere eine (alte) neue Form des Sachverständigen, der Verifikateur, verspricht Chancen der Staatsentlastung. Andererseits sind, vor dem Hintergrund der heutigen Regulierung des Sachverständigenwesens, die bereits jetzt festzustellenden Fehlentwicklungen und Risiken für die Zukunft besonders groß. Es besteht die Gefahr der ungesicherten Privatisierung hoheitlicher Entscheidungsgewalt. Einige Eckpunkte, die für den heutigen und zukünftigen Einsatz von privaten Sachverständigen und behördlichen Aufsichtsmitarbeitern erfüllt sein müssen, um ein rechtsstaatlich unbedenkliches und innovatives Sachverständigen-Vollzugsmodell zu realisieren, werden skizziert.
Buchbesprechung
- Robert Uerpmann-Wittzack, Das neue Computergrundrecht (Gabriele Britz)