Ausgabe 8/2021, April

Abhandlungen

  • Lando Kirchmair, MĂĽnchen/Salzburg, Nationale Souveränität als Verfassungsidentität – Warum der EuGH Letztentscheider ĂĽber den Gehalt nationaler Identität sein sollte

    Dieser Beitrag behandelt das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Konzept der „Verfassungsidentität“, welches von diesem als integrationsfester Kern des Grundgesetzes gedeutet wird. Dieser Kern sei resistent gegenüber der Europäischen Integration. Die These des Beitrags lautet, dass eben diese „Verfassungsidentität“ im Grunde nichts anderes ist, als der altbekannte Topos der „nationalen Souveränität“. Um einer europaweit willkürlichen Interpretation der jeweiligen nationalen Verfassungsidentität vorzubeugen, sollte der EuGH Letztentscheider über die nationale Identität im Rahmen der Europäischen Integration sein.

  • Alexander Brade/Markus Gentzsch, Leipzig, Das Konzept der Integrationsverantwortung – Eine Neubestimmung am Beispiel des Bundespräsidenten

    Die Integrationsverantwortung des Bundespräsidenten aus Art. 23 GG äußert sich in zweierlei Hinsicht: Zunächst obliegt es ihm, an der Entfaltung des Unionsrechts dergestalt mitzuwirken, dass er auszufertigende Gesetze auf ihre Unionsrechtskonformität prüft und bei der Wahrnehmung von Staatsleitungs- wie Vollzugsaufgaben das Unionsrecht zur Geltung bringt (proaktive Integrationsverantwortung). Umgekehrt hat er die Pflicht, Vorschriften des Unionsrechts am Maßstab der Identitäts- und Ultra-vires-Kontrolle zu messen, wie sie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelt worden ist (reaktive Integrationsverantwortung). Für den Fall der Pflichtenkollision setzt sich dabei die zuletzt genannte Verpflichtung durch, da es dann an einer Bindung an das – an sich (anwendungs-)vorrangige – Unionsrecht fehlt.

  • Matthias Goldmann, Frankfurt a.M./Heidelberg, Finanzverfassung und kommunaler Finanzausgleich – Zum Begriff der Finanzkraftreihenfolge bei interkommunalen Umlagen

    Die Finanzverfassung legt in den Art. 106 und 107 GG nur einen groben Rahmen für die Verteilung der Steuererträge fest, der der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedarf. Die Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sind seit jeher umstritten. Das gilt besonders für den kommunalen Finanzausgleich und kommunale Umlagen, die an die Gewerbesteuer anknüpfen. Die Rechtsprechung bedient sich häufig vager verfassungsrechtlicher Maßstäbe und hat im Übrigen ein Konvolut zunehmend schwer zu durchdringender Kasuistik geschaffen. Das betrifft auch den Begriff der Finanzkraftreihenfolge. Er setzt interkommunalen Umlagen eine verfassungsmäßige Grenze, wurde jedoch von der Rechtsprechung bisher kaum konkretisiert. Die neue hessische „Heimatumlage“ dürfte dies nun erzwingen.

  • Johannes Grell, WĂĽrzburg, Der Schutz vulnerabler Gruppen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit – mit rechtsphilosophischen BezĂĽgen

    Infolge einer dauerhaft restriktiven Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte stellt die Frage nach der Berücksichtigung vulnerabler Gruppen im Umweltrecht lediglich eine Randerscheinung im Kanon der juristischen Diskussion dar. Dessen ungeachtet birgt die Thematik in verfassungsrechtlicher Hinsicht jedoch eine gewisse Sprengkraft, welche von den Gerichten nachhaltig vernachlässigt wird. Den Standpunkt der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aus historischer Sicht zu beleuchten und sodann einer verfassungsrechtlichen Analyse zu unterziehen, sei daher Aufgabe des Beitrags. Im Anschluss sei der Versuch gewagt, die Erforderlichkeit einer grundsätzlichen Berücksichtigung vulnerabler Gruppen im Lichte philosophischer Gerechtigkeitserwägungen zu erörtern.

Buchbesprechungen

  • Winfried Kluth/Ulrike Hornung/Andreas Koch, (Hrsg.), Handbuch Zuwanderungsrecht – Allgemeines Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht nach deutschem und europäischem Recht; 3. Auflage (Matthias Niedobitek)
  • Tatjana Holter, Völkermord im Parlament – Der schlichte Parlamentsbeschluss des Deutschen Bundestages zur Anerkennung des Völkermords an den Armeniern als Problem zwischen Verfassung und Politik (Michael Fuchs)

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen

Diese Ausgabe bei beck-online.de lesen

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.