Ausgabe 23/2023, Dezember

Thematischer Schwerpunkt: Öffentliche Sicherheit

Abhandlungen

  • David Kuch, Würzburg/Konstanz, Abkehr vom „tradierten sicherheitsrechtlichen Modell“? – Ein Beitrag zur Historisierung der gegenwärtigen Sicherheitspolitik

    Nach verbreiteter Ansicht ist in der jüngeren Entwicklung des deutschen Sicherheitsrechts eine Abkehr vom „tradierten sicherheitsrechtlichen Modell“, wie es im Rechtsstaat des späten 19. Jahrhunderts Gestalt annahm, zu beobachten. Sei für dieses ein enger, objektiver Gefahrbegriff charakteristisch gewesen, orientiere man sich heute zunehmend an schwach konturierten oder auch personenbezogenen Eingriffsschwellen. Eine genauere Analyse des preußischen Polizeirechts um 1900 zeigt jedoch, dass solche Tendenzen dem „tradierten Modell“ durchaus nicht fremd waren, ja dass sie in manchen Bereichen geradezu vorherrschten. Die hier zutage tretenden Ähnlichkeiten zwischen dem „klassischen“ und dem „modernen“ Sicherheitsrecht lassen die jüngere Entwicklung in einem neuen Licht erscheinen.

  • Clemens Arzt, Berlin, Polizeiliche Verarbeitung „besonderer Kategorien personenbezogener Daten“ – Zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 in Deutschland

    Der Beitrag stellt die Umsetzung der Vorgaben für die Verarbeitung sogenannter besonderer Kategorien personenbezogener Daten durch die Polizei aus Art. 10 der EU-Richtlinie 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten vor. Die Anforderungen dieser Richtlinie sind gleichsam das Gegenstück zur EU-Datenschutzgrundverordnung für die Sicherheitsbehörden. An einer grundrechtsfreundlichen Umsetzung der europarechtlichen Anforderungen an die Datenverarbeitung durch Polizeibehörden hatten die Gesetzgeber in Bund und Ländern dabei offenbar wenig Interesse, wie die folgende Analyse für die Verarbeitung „sensibler“ Daten aufzeigt. Die gesetzlichen Maßgaben im Polizeirecht des Bundes und der Länder zur Umsetzung der Richtlinie kommen im Regelfall kaum über eine wörtliche und zudem oft nicht in das nationale Polizei- und Datenschutzrecht eingepasste formale Übernahme der EU-rechtlichen Anforderungen hinaus. Für einen europarechtlich hinreichenden Schutz des Grundrechts auf Datenschutz bedarf es daher dringend weiterer Vorgaben durch Gesetz oder Verordnung. Der mangelhafte Umsetzungswille ist umso bedauerlicher, als Art. 1 Abs. 3 JI-Richtlinie klarstellt, dass die Richtlinie die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, „Garantien festzulegen, die strenger sind als die Garantien dieser Richtlinie“. Diese Öffnungsklausel blieb in Deutschland weitgehend unbeachtet.

  • Björnstjern Baade, Berlin, Der Verfassungsschutzbericht im Spiegel der Kritik – Eine politische Waffe mit Bewertungsvorrang?

    Kritik an der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden hat, insbesondere wegen Ronen Steinkes Buch „Verfassungsschutz: Wie der Geheimdienst Politik macht“, kürzlich wieder viel Aufmerksamkeit erfahren. Wiewohl rechtliche und rechtspolitische Kritik legitim und in mancher Hinsicht berechtigt ist: Der Verfassungsschutzbericht ist kein Instrument, das es erlauben würde, beliebig die Opposition zu drangsalieren, und es ist auch nicht einfach Ansichtssache, wer „Verfassungsfeind“ ist. Gegen Verfassungsschutzberichte besteht zudem uneingeschränkt effektiver Rechtsschutz. Den Berichten kommt kein „Bewertungsvorrang“ zu.

Buchbesprechungen

  • Michael Kilian, Staatsästhetik (Helmut Goerlich)
  • Julian Krüper/Arne Pilniok (Hrsg.), Mehrheit/Minderheit (Reiner Schmidt)

Rechtsprechung

  • BverwG, Urteil vom 15.6.2023 – 1 C 10.22 – Wohnungsbetretung zwecks Ãœberstellung im Dublin III-Verfahren

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen

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