Ausgabe 20/2016, Oktober
Abhandlungen
-
Andreas Funke, Erlangen, Keine Abwägung im Auswärtigen – Zugleich Bemerkungen zur „Treaty Override“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (in diesem Heft, S. 865)
Ist es verfassungsrechtlich zulässig, durch innerstaatliches Gesetz von einem völkerrechtlichen Vertrag abzuweichen? Die im Steuerrecht gelegentlich geübte Praxis der „Vertragsüberschreibung“ (Treaty Override) hatte eine Diskussion um das Verhältnis von nationalem Recht und Völkerrecht ausgelöst, die durch die jüngst ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 2015 (Az. 2 BvL 1/12) äußerlich beruhigt werden wird. Diese Entscheidung verdient im Ergebnis Zustimmung, jedoch ist ihre Begründung nicht in jeder Hinsicht überzeugend. Insbesondere aber gibt das Sondervotum der Richterin Doris König Veranlassung, eine Reihe weiterführender, in der gerichtlichen Kontroverse vernachlässigter Fragen aufzugreifen.
-
Laura Münkler, München, Pfadabhängigkeiten im Rechtssystem – Außerrechtliche und rechtliche Faktoren
Ob das aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stammende Konzept der Pfadabhängigkeit auch im Rechtssystem weiterführend verwendet werden kann, harrt bislang einer näheren Untersuchung. Insbesondere ist kaum reflektiert worden, inwieweit es hierfür einer Anpassung des Konzepts bedürfte. Angesichts des gegenüber den Rechtswissenschaften divergierenden Erkenntnisinteresses der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wie auch der Besonderheiten des betrachteten Erkenntnisgegenstandes liegt die Notwendigkeit einer Transformation des Konzepts nahe. Um die Theorie in Bezug auf das Recht verwenden zu können, sind demnach sowohl die außerrechtlichen als auch die rechtlichen Faktoren, die Pfadabhängigkeiten im Rechtssystem begründen können, zu analysieren.
-
Thomas Duve/Christine Neumeister, Wiesbaden, Ausrichtung des Kommunalen Finanzausgleichs am ermittelten Finanzbedarf der Kommunen – Ausgestaltung eines bedarfsorientierten Kommunalen Finanzausgleichs am Beispiel des Landes Hessen
Der Kommunale Finanzausgleich stellt für die Kommunen eine essenzielle Ergänzung ihrer eigenen originären Finanzmittel dar und trägt so dazu bei, dass sie ihre verfassungsrechtlich verankerte Selbstverwaltung effektiv wahrnehmen können. Bei der konkreten Ausgestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs haben die Landesgesetzgeber erhebliche Ermessensspielräume. Das Land Hessen hat aufgrund eines Urteils des Hessischen Staatsgerichtshofs aus dem Jahr 2013 den Kommunalen Finanzausgleich mit Wirkung ab dem Ausgleichsjahr 2016 neu geordnet. Wesentliches Ergebnis dieser Neuordnung ist die Bemessung des Volumens der Finanzausgleichsmasse auf Basis einer Bedarfsermittlung. Da diese den vertikalen Finanzausgleich betreffende Bedarfsermittlung auch unmittelbare Folgewirkungen für die horizontale Verteilung hat, war letztlich das Ausgleichssystem in seiner Gesamtheit von der Neuordnung betroffen. Der Beitrag gibt einen erläuternden Überblick über die wesentlichen Strukturelemente des neuen bedarfsorientierten hessischen Kommunalen Finanzausgleichs.
-
Sebastian Klappert, Köln/Berlin, Von den heiligen Sachen im säkularen Staat – Über Herleitung, Umfang und Bedeutung der res sacrae
Die Rechtsfragen im Zusammenhang mit den res sacrae sind vielschichtig. Dabei sind es die Verschränkung von kirchlichem und weltlichem Rechtskreis und die Eigentümlichkeiten des Religiösen, die die Rechtsmaterie der heiligen Sachen verkomplizieren. Einerseits wird im Schrifttum der besondere öffentlich-rechtliche Sachstatus der res sacrae angezweifelt, andererseits werden von einer wohl herrschenden Auffassung die zum öffentlich-rechtlichen Sachenrecht zuzuordnenden res sacrae ausufernd bestimmt. Dieser Aufsatz widerspricht beiden Auffassungen, plädiert stattdessen für eine Begrenzung des öffentlichen Sachenrechts auf bloß kultischen Zwecken dienende Sachen und unterstreicht die besondere Bedeutung der res sacrae im säkularen Verfassungsstaat aus der Perspektive des kanonischen Rechts.
Buchbesprechung
- Hermann-Josef Blanke/Stelio Mangiameli (Hrsg.), The Treaty on European Union (TEU) – A Commentary (Dieter Kugelmann)
Rechtsprechung
- BVerfG, Beschluss vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12 – Überschreibung eines Doppelbesteuerungsabkommens durch innerstaatliches Gesetz (vgl. Beitrag Funke)
Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen
- Ausgewählte Entscheidungen im Volltext finden Sie hier:
- 591. BVerfG, Beschluss vom 29.6.2016 – 1 BvR 1015/15 – Einführung des „Bestellerprinzips“ bei Maklerprovisionen für Wohnraummietverträge
- 595. BVerwG, Urteil vom 12.5.2016 – 9 C 11.15 – Grenzen der Erschließungseinheit
- 596. BVerwG, Urteil vom 25.5.2016 – 7 C 13.14 – Abwasserabgabe; Anerkennung einer Vorbelastung
- 598. BVerwG, Beschluss vom 30.6.2016 – 2 B 3.15 – Keine Dienstbefreiung unter Fortzahlung der Dienstbezüge für Einsatz als Ordner bei einem Warnstreik
- 600. OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 21.4.2016 – 7 A 11108/14.OVG – Bundespolizeiliche Kontrollbefugnisse in Zügen; Diskriminierungsverbot
- 603. BVerwG, Urteil vom 15.7.2016 – 6 A 7.14 – Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Auskunftsbegehren betreffend Herkunft und Empfänger personenbezogener, beim BND gespeicherter Daten
- 610. OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 8.6.2016 – 8 A 10912/15.OVG – Eisenbahnrecht; Überwachung der netzzugangsrechtlichen Bereitstellungspflicht
- 613. BVerwG, Beschluss vom 4.7.2016 – 1 B 78.16 – Rücknahme einer Einbürgerung; Loyalitätserklärung; wahrheitsgemäße Angaben