Ausgabe 18/2019, September

Thematischer Schwerpunkt: Zur Tagung 2019 der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

Auslobung

  • Klaus Rennert/Ulf Domgörgen, Leipzig, Horst-Sendler-Preis des Bundesverwaltungsgerichts

    Die Rechtsprechung in Deutschland zeichnet sich durch einen dichten Dialog mit der Rechtswissenschaft aus. Insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung ist darauf angewiesen, dass die judikative Fortentwicklung des Rechts wissenschaftlich auf hohem Niveau begleitet wird. In der Rechtswissenschaft ist freilich festzustellen, dass sich das Öffentliche Recht zunehmend aus dem Allgemeinen Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht zurückzieht: Die Ausrichtung der Lehrstühle und das Forschungsinteresse vieler Wissenschaftler wandert entweder „nach oben“ ins Verfassungs- und Europarecht oder aber „nach unten“ in die Spezialmaterien des Besonderen Verwaltungsrechts ab. Dies, obgleich ein dringendes Interesse daran besteht, dass die Rechtsinstitute des Allgemeinen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts, deren dogmatische Wurzeln nicht selten bald hundert Jahre alt sind, für Antworten auf neuartige rechtliche Fragestellungen fortentwickelt oder ergänzt werden. Das Bundesverwaltungsgericht möchte deshalb junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu anregen, sich wieder verstärkt dem Forschungsfeld des Allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts zuzuwenden. Hierzu lobt es erstmals den „Horst-Sendler-Preis des Bundesverwaltungsgerichts“ aus. Der Preis wird voraussichtlich alle zwei Jahre in zwei Klassen (Monografien, Aufsätze) für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf den Gebieten des Allgemeinen Verwaltungsrechts, des Verwaltungsprozessrechts sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit verliehen. Die Ausschreibung umfasst neben dogmatischen auch rechts- und systemvergleichende oder historische und nicht nur rechtswissenschaftliche, sondern etwa auch verwaltungswissenschaftliche oder politikwissenschaftliche Arbeiten, wenn sie einen Ertrag für die Rechtsprechung erwarten lassen. Zur Teilnahme ist berechtigt, wer ein wissenschaftliches Hochschulstudium – nicht notwendig ein juristisches – abgeschlossen und bei Einreichung seines Beitrags das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Einreichungsfrist für die erstmalige Verleihung endet am 30. Juni 2020. Eine Jury aus Mitgliedern des Gerichts wählt die Preisschrift(en) aus; der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der Preis wird im Rahmen einer Festveranstaltung im Gericht verliehen. Die Einzelheiten sind auf dessen Homepage veröffentlicht.

Abhandlungen

  • Heiko Sauer, Bonn, Parameter eines materiellen Auslandseinsatzrechts – Anwendbarkeit, Rechtsbindungen und Haftungsvorgaben des Grundgesetzes bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr

    Während die generelle Zulässigkeit des Auslandseinsatzes der Bundeswehr und die Notwendigkeit der Parlamentsbeteiligung heute im Wesentlichen geklärt sind, harrt die eminent praxisrelevante Frage der Befugnisse der deutschen Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz noch der Klärung. Da sie deutsche Staatsgewalt ausüben und keine Übertragung von Hoheitsrechten erfolgt, bleibt das Grundgesetz als Grundlage und Grenze ihres Handelns anwendbar. Die grundrechtliche Schutzintensität ist dabei ohne das bisher fehlende Eingreifen des Gesetzgebers, das mit Blick auf Art. 24 Abs. 2 GG möglich wäre, auch bei Kampfhandlungen grundsätzlich nicht reduziert. Entgegen dem Kundus-Urteil des Bundesgerichtshofs greift für rechtswidriges Handeln auch der Amtshaftungsanspruch ein.

  • David Kuch, WĂĽrzburg, „Wohltätiger Zwang“ – Zur grundrechtlichen Neuausrichtung des Erwachsenenschutzes

    Staatliche Fürsorge kann für den Hilfebedürftigen nicht nur segensreich, sondern auch belastend sein, denn ihr Schutzanspruch schließt „wohltätigen Zwang“ nicht aus. Zu den besonders umstrittenen Maßnahmen gehört die ärztliche Zwangsbehandlung, die das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren mehrfach beschäftigt hat. Die ergangenen Entscheidungen setzen das Erwachsenenschutzrecht nach wie vor unter Anpassungsdruck. In welche Richtung die berührten Rechtsmaterien gelenkt werden, ist Gegenstand der vorliegenden grundrechtsdogmatischen Untersuchung. Verfassungs-, aber auch menschenrechtliche Vorgaben verlangen konsequent(er) subjektzentrierte Fürsorgekonzepte. Zwangsmaßnahmen erscheinen als prinzipiell fragwürdig.

  • Mario Martini, Speyer, Neue Freunde und Helfer? – Drohnen als Mittel der Beobachtung von GroĂźveranstaltungen und Versammlungen

    Sinkende Anschaffungs- und Betriebskosten machen es möglich: Drohnentechnologie erlebt einen Höhenflug – medial und wirtschaftlich. Rund um den Globus greifen Private wie Behörden vermehrt auf ihre Hilfe zurück. Ihr Einsatz wirft aber auch vielschichtige Rechtsfragen auf – vom Luftfahrt-, Datenschutz- und Haftungsrecht bis hin zum klassischen Polizeirecht. Der Beitrag spürt diesen Grenzen mit Blick auf die polizeiliche Beobachtung von Großveranstaltungen und Versammlungen nach.

  • Stephan StĂĽber, Hamburg, BegrĂĽndung und Veränderung von AnsprĂĽchen im öffentlichen Haushaltsrecht

    Als „Veränderung von Ansprüchen“ werden im Haushaltsrecht die Stundung, der Erlass und die Niederschlagung von Ansprüchen verstanden. Damit ein Anspruch „verändert“ werden kann, muss er zunächst bestehen. Das Haushaltsrecht kennt eine Pflicht zur Begründung und Durchsetzung von Ansprüchen. Diese Pflicht scheint vom Bundesverwaltungsgericht infrage gestellt worden zu sein. Das Gericht unterscheidet dabei nicht hinreichend zwischen „Begründung“ und „Veränderung“ von Ansprüchen.

Buchbesprechungen

  • Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Band 78: Gleichheit, Vielfalt, Technischer Wandel – Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Bonn vom 3.–6. Oktober 2018 (Klaus Rennert)
  • Nikolaus Marsch, Das europäische Datenschutzgrundrecht, Grundlagen – Dimensionen – Verflechtungen (Dieter Kugelmann)

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen

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