Ausgabe 18/2016, September
Thematischer Schwerpunkt: Zur Tagung 2016 der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
Abhandlungen
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Christian Bickenbach, Potsdam, Die Europäische Union beweglicher denken
Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft. Ihre Krisen sind Rechtskrisen, die sich darin ausdrücken, dass Rechtsnormen keine Steuerungswirkung entfalten, weil sie aus politischer Opportunität oder mangelnder Akzeptanz nicht beachtet werden. Die abnehmende normative Kraft ist die verfassungstheoretisch erklärbare Folge einer zu starren mitgliedschaftlichen Struktur, die die Problemlösungsfähigkeit der Europäischen Union einschränkt. Als Reaktion bietet sich an, die Europäische Union primärrechtlich beweglicher zu denken – auch und gerade nach dem Referendum in Großbritannien. Mitgliedstaaten müssen Politiken verlassen können, ohne gleich die Union verlassen zu müssen, müssen aber auch verstärkt zusammenarbeiten dürfen, ohne dass andere Mitgliedstaaten sie daran hindern können.
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Paulina Starski, Heidelberg/Hamburg, Die „Große Koalition“ als Problem des Verfassungsrechts ‒ Recht auf effektive Opposition vs. Gleichheit der Abgeordneten
Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst nicht nur einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einräumung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte in Zeiten der „qualifizierten Großen Koalition“ verneint, sondern diesbezüglich dem Grundgesetz in einer Art obiter dictum gar ein Verbot entnommen. Es scheint sich eine Akzentverschiebung abzuzeichnen: Die Betonung des Schutzes parlamentarischer Opposition weicht einer erhöhten Sensibilität für die Wahrung der Gleichheit von Abgeordneten. Angesichts der Tatsache, dass „Große Koalitionen“ keine Singularität in der bundesrepublikanischen Landschaft darstellen und auch zukünftig nicht an Relevanz verlieren werden, erscheint es geboten, über das Recht auf effektive Opposition unter Berücksichtigung der jüngsten Karlsruher Judikatur zu reflektieren. Eine Auseinandersetzung mit dieser erweist sich auch als Lehrstück in Sachen höchstrichterlicher Rechtsfortbildung.
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Teresa Weber, Salzburg, Die föderale Kompetenzverteilung als Beispiel für Pfadabhängigkeit
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Pfadabhängigkeit föderaler Kompetenzverteilungen. Nach einer kurzen Erörterung des Konzepts der Pfadabhängigkeit und der zugrunde gelegten Definition föderaler Ordnung werden Überlegungen zur Trennung und Sichtbarmachung einer Wie- und einer Wer-Komponente der Kompetenzwahrnehmung angestellt. Daran anschließend wird dargelegt, in welchen Konstellationen die Pfadabhängigkeit der föderalen Kompetenzverteilung als problematisch qualifiziert werden kann und welche Anpassungsstrategien im Lichte des vorangehend erarbeiteten Modells theoretisch möglich sind. Vor einer Zusammenfassung und den Schlussfolgerungen werden konkrete Beispiele für Anpassungsstrategien in den föderalen Ordnungen Österreichs und Deutschlands gegeben.
Berichte
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Susan Harris-Huemmert, Speyer, New Paths for Innovation in the Public Sector – Ein Symposium an der Universität Speyer, 25.–26. Februar 2016
Durch die Beschleunigung gesellschaftlicher Veränderungsprozesse in der Wissensgesellschaft und teilweise disruptive Entwicklungen wie dem klimatischen Wandel, der Migration etc. stehen Regierungen und ihre Verwaltungen vor immer größeren Herausforderungen. Viele Verwaltungsprozesse mögen einwandfrei funktionieren, andere können sich jedoch als entwicklungsbedürftig herausstellen. Folglich entsteht die Frage, wie Innovationsprozesse im öffentlichen Sektor, die vorhandene Problemlösungskapazitäten erweitern helfen, in situ realisiert werden können.
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Silvia Pernice-Warnke, Köln, 11. Deutscher Hochschulrechtstag – 12. Mai 2016, Leibniz-Universität, Hannover
Buchbesprechungen
- Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Band 75: Verfassung als Ordnungskonzept – Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Speyer vom 7. bis 10. Oktober 2015 (Klaus Rennert)
- Johannes Masing/Matthias Jestaedt/David Capitant/Armel Le Divellec (Hrsg.), Strukturfragen des Grundrechtsschutzes in Europa – Grundrechtecharta – Grundrechtsbindung – Vertrauensschutz. Dokumentation des 6. Treffens des Deutsch-Französischen Gesprächskreises für Öffentliches Recht (Andreas Haratsch)
Rechtsprechung
- BVerfG, Urteil vom 3.5.2016 – 2 BvE 4/14 – Kein Gebot zur Schaffung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte (vgl. Beitrag Starski)
Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen
- Ausgewählte Entscheidungen im Volltext finden Sie hier:
- 521. EGMR, Urteil vom 2.6.2016 – Beschwerde Nr. 23646/09 – Geotech Kancev GmbH – Sozialkassen-System im deutschen Baugewerbe
- 522. EuGH, Urteil vom 5.7.2016 – C-614/14 – Ognyanov – Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens und Pflichten des vorlegenden Gerichts
- 523. EuGH, Urteil vom 13.7.2016 – C-187/15 – Pöpperl – Verlust von Versorgungsansprüchen eines Beamten bei Aufnahme einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat
- 535. BVerwG, Urteil vom 23.3.2016 – 10 C 4.15 – Anspruch eines Kammermitglieds auf Austritt seiner Kammer aus einem Dachverband
- 536. BVerwG, Urteil vom 6.4.2016 – 3 C 10.14 – Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken
- 537. BVerwG, Urteil vom 14.4.2016 – 7 C 12.14 – Informationsweiterverwendung; Begriff des Zugangsrechts in § 1 Abs. 2 Nr. 1 IWG
- 547. BVerwG, Urteil vom 6.4.2016 – 3 C 10.15 – Wirksamkeit von Verkehrszeichen nach dem Sichtbarkeitsgrundsatz
- 548. BVerwG, Urteil vom 7.4.2016 – 4 C 1.15 – Bauverbot bei Störung von Flugsicherungseinrichtungen durch Bauwerke
- 553. BVerwG, Urteil vom 27.4.2016 – 6 C 5.15 – Sanktionsbefreiende Selbstanzeige bei Verstößen gegen parteienfinanzierungsrechtliche Vorschriften
- 556. OVG NRW, Urteil vom 20.5.2016 – 20 A 488/15 – Tötung männlicher Eintagsküken