Ausgabe 14/2022, Juli
Abhandlungen
-
Christian Bickenbach, Potsdam, Staatlicher Klimaschutz unter CO2-Budgetvorbehalt?
Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) sieht jährlich sinkende Treibhausgasemissionsmengen vor. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 KSG soll 2045 Netto-Treibhausgasneutralität erreicht sein, d. h. ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken. Unausgesprochene Grundlage der Vorgaben ist ein auf Deutschland entfallendes CO2-Budget. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) empfiehlt der Bundesregierung, ein solches Budget zu benennen, um die gesetzlichen Klimaschutzmaßnahmen besser bewerten zu können. Fraglich ist jedoch, wie groß dieses Budget ist, ob es verbindlich festgelegt ist und ob es sich um ein Instrument der Freiheitssicherung handelt oder die Gefahr der Freiheitsstrangulierung besteht.
-
Christian Waldhoff/Christian Neumeier, Berlin, Abgeordnete und ihre Accounts – Zum verfassungsrechtlichen Schutz mandatsbezogener Kommunikation von Abgeordneten des Deutschen Bundestages
Der Beitrag untersucht den verfassungsrechtlichen Vertraulichkeitsschutz, den mandatsbezogene E-Mails und andere (elektronische) Kommunikationsvorgänge von Abgeordneten des Deutschen Bundestages gegenüber einem Untersuchungsausschuss genießen. Er entwickelt zu diesem Zweck ein abgestuftes Schutzkonzept, das zwischen einem auf spezifische Situationen zugeschnittenen, absoluten und einem generellen, aber abwägungsfähigen Vertraulichkeitsschutz unterscheidet. Der Beitrag analysiert verschiedene Konstellationen, in denen Abgeordnete zum Gegenstand von Untersuchungshandlungen werden können, und untersucht mögliche Rechtsgrundlagen für direkte und indirekte Formen der Kollegialenquete.
-
Achim Janssen, Eichstätt, Die Gewährung „gleicher Rechte“ an Religionsgesellschaften ursprünglich und heute – Zur Wiederentdeckung eines Redaktionsversehens
Die Gewährung „gleicher Rechte“ (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV) vermittelt einer Religionsgemeinschaft nach h.M. die sog. Körperschaftsrechte (Dienstherrenfähigkeit, Organisationsgewalt, Widmungsbefugnis usw.). Dieser Meinung liegt eine Verkennung des Umstandes zugrunde, dass die „gleiche Rechte“-Formel auf einem Redaktionsversehen des Weimarer Verfassungsgebers beruht. Korrigiert man dieses Versehen, so ist die Norm heute folgendermaßen zu lesen: „Anderen Religionsgesellschaften ist [...] der Körperschaftsstatus zu gewähren, wenn [...].“ Diese Wortwahl verdeutlicht, dass Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV den Religionsgesellschaften nicht (Körperschafts-) „Rechte“, sondern nur den Körperschaftsstatus als solchen in Aussicht stellt, so wie auch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV den altkorporierten Religionsgesellschaften nicht (Körperschafts-) „Rechte“, sondern nur den Körperschaftsstatus als solchen gewährleistet.
Kleinerer Beitrag
-
Sofiane Benamor, Schwerin, 3G-Beschränkung der Versammlungsfreiheit? – Über die Zulässigkeit infektionsschutzrechtlicher Ausschlüsse Einzelner von der Ausübung der Versammlungsfreiheit
Der Impf- oder Genesenenstatus bzw. ein tagesaktueller negativer Test auf SARS-CoV-2 als Zugangsvoraussetzung zu Räumlichkeiten, Geschäften und Veranstaltungen ist derzeit in der gesamten Bundesrepublik gängige Praxis und jedenfalls die sog. 3G-Regel ist weitestgehend von der Rechtsprechung anerkannt. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen und dem baden-württembergischen Landkreis Göppingen wurde diese 3G-Regel nun auch auf politische Versammlungen angewandt. Das Oberverwaltungsgericht Münster bzw. das Verwaltungsgericht Stuttgart hatten zu entscheiden, inwieweit die Teilnahme an einer Versammlung von nicht-immunisierten Personen von einem negativen Testergebnis abhängig gemacht werden darf. Der Beitrag beschäftigt sich mit den tiefergehenden verfassungsrechtlichen Problemen dieser Auflage.
Rechtsprechung
- BVerfG (Kammer), Beschluss vom 18.1.2022 – 1 BvR 1565/21 u. a. – Pflicht zur gesetzlichen Normierung eines Reduktionspfades für Treibhausgase durch Landesgesetzgeber (vgl. Abhandlung Bickenbach)
Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen
- Ausgewählte Entscheidungen im Volltext finden Sie hier:
- 416. EuGH, Urteil vom 28.4.2022 – C‑86/21 – Gerencia Regional de Salud de Castilla y León – Nationales System zur Anerkennung der beruflichen Laufbahn von Angehörigen der Gesundheitsberufe; Nichtberücksichtigung der in den Gesundheitsdiensten eines anderen Mitgliedstaats erworbenen Berufserfahrung
- 417. EuGH, Urteil vom 5.5.2022 – C‑525/20 – Association France Nature Environnement – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Genehmigung eines Projekts oder Vorhabens zu versagen, das eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann
- 418. BVerfG, Beschluss vom 22.3.2022 – 1 BvR 2868/15 u.a. – Erhebung einer Übernachtungssteuer
- 419. BVerfG, Beschluss vom 23.3.2022 – 1 BvR 1187/17 – Verpflichtende Bürger- und Gemeindebeteiligung an Vorhabenträgern bei der Errichtung von Windenergieanlagen
- 420. VerfGH Rheinl.-Pf., Beschluss vom 1.4.2022 – VGH O 20/21 – Organstreitverfahren; objektives Klarstellungsinteresse
- 421. VerfGH NRW, Urteil vom 4.4.2022 – VerfGH 1/18 – Aufgabenübertragung; Belastungsausgleich; Konnexitätsprinzip
- 429. BVerwG, Urteil vom 20.1.2022 – 8 C 35.20 – Themenbezogene Widmungsbeschränkung einer kommunalen öffentlichen Einrichtung
- 445. BVerwG, Urteil vom 10.12.2021 – 5 C 8.20 – Ausbildungsförderung bei Überschreiten des Rentenalters
- 448. BVerwG, Beschluss vom 9.2.2022 – 9 BN 4.21 – Keine Pflicht zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens