Ausgabe 9/2024, Mai

Abhandlungen

  • Mathias Honer, Berlin, Materielle Gerechtigkeit ist kein Argument – Zur Wiederaufnahmeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts

    Das am Ende der vergangenen Legislaturperiode verabschiedete „Gesetz zur Wiederherstellung materieller Gerechtigkeit“ erweiterte mit § 362 Nr. 5 StPO die Möglichkeiten, ein Strafverfahren nach rechtskräftigem Urteil zulasten des Angeklagten wiederaufzunehmen. Infolgedessen entbrannte eine Diskussion über die Vereinbarkeit von § 362 Nr. 5 StPO mit dem in Art. 103 Abs. 3 GG verbürgten Doppelverfolgungsverbot. Das warf auch die Frage nach dem Verhältnis von Art. 103 Abs. 3 GG zum Grundsatz materieller Gerechtigkeit auf. Eine Verfassungsbeschwerde gab dem Bundesverfassungsgericht nun die Gelegenheit, dazu Stellung zu beziehen. Hier setzt der Beitrag mit seiner Analyse an. Sie bestätigt das Verdikt der Verfassungswidrigkeit von § 352 Nr. 5 StPO und weist den Grundsatz materieller Gerechtigkeit zur Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 103 Abs. 3 GG zurück.

  • Michel Göbel, Frankfurt am Main, Politische Neutralitätspflichten als Entpolitisierung des Politischen und demokratietheoretischer Irrweg

    Die Verfassungs- und Verwaltungsgerichte verpflichten Amtsträger in der politischen Auseinandersetzung zur Neutralität gegenüber konkurrierenden Parteien und missbilligten zivilgesellschaftlichen Bewegungen. Ein Neutralitätsgebot lässt sich in dieser Allgemeinheit jedoch weder aus positivem Recht herleiten noch basiert es auf zielführenden Vorannahmen. Stattdessen verrechtlicht es den politischen Wettbewerb, um den Wählern einen Schutz zu gewähren, den sie nicht benötigen, weil er auf einem undemokratischen Demokratieverständnis beruht. Entsprechend würde der politische Prozess davon profitieren, wenn in Zukunft zurückhaltender judiziert würde. Gelegenheit dazu hat das Bundesverfassungsgericht im Verfahren zur Bezeichnung der AfD als „Partei Russlands“ durch den Bundeskanzler.

  • Stephan StĂĽber, Hamburg, Fälligkeit, Jährlichkeit, Jährigkeit, Vorherigkeit - Haushaltsgrundsätze im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 des Bundes

    Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2021 des Bundes vom 15. November 2023 hat erhebliche politische Auswirkungen gehabt und als erste Grundsatzentscheidung des Gerichts zur sog. Schuldenbremse auch in der juristischen Fachwelt viel Aufmerksamkeit erfahren. Der Entscheidung ist im Ergebnis und in ihren wesentlichen Aussagen zur Schuldenbremse zuzustimmen. Sie ist jedoch nicht immer so absolut, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Teilweise ist die BegrĂĽndung nicht stringent hergeleitet und wirft deshalb neue Fragen auf.

Kleinerer Beitrag

  • Bert Schaffarzik, Chemnitz, BeschlieĂźende RettungsdienstausschĂĽsse unter (Prinzipal-)Kontrolle

    Die materielle Privatisierung des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg wird auf der Ebene der Rettungsdienstbereiche organisatorisch durch Bereichsausschüsse ohne Sichtbarmachung eines Hoheitsträgers umgesetzt. Dieses Konzept des Gesetzgebers geht nicht auf.

Rechtsprechung

  • BVerfG, Urteil vom 31.10.2023 – 2 BvR 900/22 – Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen (vgl. Abhandlung Honer)
  • VGH BW, Urteil vom 5.5.2023 – 6 S 2249/22 – Notfallrettung; Rettungsdienstplan; Antragsbefugnis; Schutzpflicht; Hilfsfrist (vgl. Abhandlung Schaffarzik)

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