Ausgabe 10/2021, Mai
Thematischer Schwerpunkt: Parität und Gleichstellung
Abhandlungen
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Laura Volk, Heidelberg, Die Kardinalfrage der Paritätsdebatte: Formeller oder materieller Gleichheitsbegriff im Wahlrecht?
Jüngst brachte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur Wahlprüfungsbeschwerde aufgrund des geringen Frauenanteils im Deutschen Bundestag eines der Kardinalprobleme der Paritätsdebatte auf den Punkt: Die Frage danach, ob der nach herrschender Meinung bislang formell verstandene Gleichheitsbegriff im Wahlrecht zugunsten eines materiellen Verständnisses von Gleichheit weichen muss. Einer Systematisierung sowie einer Beantwortung dieser dogmatischen Grundlagenfrage widmet sich der folgende Beitrag.
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Marco Penz, Bonn, Jetzt erst recht! – Anmerkungen zu BVerfG, Beschl. v. 15.12.2020, 2 BvC 46/19
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht eine Wahlprüfungsbeschwerde, die die Anfechtung der Bundestagswahl 2017 aufgrund mangelnder Repräsentation von Frauen bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten zum Ziel hatte, als unzulässig verworfen. Anders als einige Landesverfassungsgerichte zuvor hat das Bundesverfassungsgericht die Tür für ein (Bundes-)Paritätsgesetz jedoch nicht zugeschlagen, wenngleich die Hürden keineswegs gering sein werden. Nachfolgend soll die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts näher analysiert und zu einem gesetzgeberischen Handeln aufgefordert werden.
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Cara Röhner, Frankfurt a.M., Begrenzte Inklusion – Das Aufenthaltsrecht als Voraussetzung existenzsichernder Leistungen für Unionsbürger
Der EuGH hat am 6. Oktober 2020, C-181/19, Rs. JD erneut eine Entscheidung zum Zugang von Unionsbürger:innen zu Grundsicherungsleistungen getroffen. Er hat den Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2c SGB II a.F. für europarechtswidrig erklärt und festgestellt, dass Eltern, die nicht mehr über einen Arbeitnehmerstatus verfügen, ein Aufenthaltsrecht von ihren in Ausbildung befindlichen Kindern herleiten können und daher einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei existenzsichernden Leistungen haben. Aufgrund der Entscheidung wurde dieser Leistungsausschluss zum 1. Januar 2021 gestrichen (Gesetz v. 9.12.2020, BGBl I 2859). In dem Beitrag wird die jüngere Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts dazu, ob wirtschaftlich inaktive oder arbeitssuchende Unionsbürger:innen von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen werden dürfen, aufgearbeitet und eingeordnet.
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Sina Fontana/Lennart Marquard, Göttingen/Potsdam, Grenzen der Neutralitätspflicht kommunaler Gleichstellungsbeauftragter
In der Kommunalpolitik sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Viele kommunale Gleichstellungsbeauftragte verfolgen daher Kampagnen zur Erhöhung der Beteiligung von Frauen in der Kommunalpolitik. Dazu gehören etwa Postkarten, Plakate und Stofftaschen mit dem Aufdruck „Wer Frauen will, muss Frauen wählen!“ sowie die Organisation von Diskussionsveranstaltungen, im Rahmen derer auf den geringen Frauenanteil hingewiesen wird. Zwischen den Gleichstellungsbeauftragten und der jeweiligen Kommunalverwaltung herrscht bisweilen Unklarheit in Bezug auf die Zulässigkeit solcher Kampagnen.
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Florian Edinger, Wiesbaden/Mainz, Landes-Parité-Gesetze verfassungswidrig – wie weiter?
Mehr Frauen in die Parlamente – wie kann das gelingen? Ob der Staat dazu Vorgaben machen soll und darf, ist rechtspolitisch und verfassungsrechtlich umstritten. Parité-Regelungen, nach denen die Parteien auf ihren Listen die gleiche Zahl männlicher und weiblicher Kandidaten aufstellen müssen, gibt es bereits in einigen Staaten. In Deutschland ist ihre Einführung in zwei Bundesländern vor deren Verfassungsgerichten gescheitert.
Rechtsprechung
- BVerfG, Beschluss vom 15.12.2020 – 2 BvC 46/19 – Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung der Landeslisten und Wahlkreiskandidaturen durch die politischen Parteien; unzulässige Wahlprüfungsbeschwerde (Art. 3 Abs. 2, 20 Abs. 1 und 2, 38 GG; § 23 Abs. 1 Satz 2 BVerfGG) (vgl. Abhandlung Penz)