Ausgabe 1/2024, Januar

Thematischer Schwerpunkt: Demokratie

Abhandlungen

  • Paul Kirchhof, Heidelberg, Gewissheiten einer Demokratie

    In Zeiten von Umbrüchen und Krisen suchen Staaten nach Gewissheiten, die sie in den Lebenssichten und Erfahrungen des Staatsvolkes, auch in den Werten und Institutionen der Verfassung finden. Doch der Staat muss das Fundament seiner Existenz stetig pflegen und fördern, in seinen demokratischen Strukturen verbessern, in der EU neu zur Wirkung bringen. Die Bürger nehmen ihre Freiheit nach bestem Wissen und Gewissen wahr, wenn sie sich in Familien und Schulen, Vereinigungen und öffentlichem Meinungsaustausch für eine Kultur des Maßes qualifizieren. Der Verfassungsstaat ist von Freiheitsvertrauen, der Bürger von seinen Hoffnungen und Idealen geprägt.

  • David Schwarz, Bayreuth, Demokratische Nachhaltigkeit und intertemporale Legitimation

    Schon in den Anfangstagen der modernen Demokratie warnte Thomas Jefferson, dass die ursprünglich demokratische Setzung von Recht durch das Volk nicht zu einer undemokratischen Herrschaft der Toten über die Lebenden werden dürfe. Angesichts der – insbesondere ökologischen – Auswirkungen unseres heutigen Handelns auf künftige Generationen hat dieser Gedanke eine neue Relevanz gewonnen. Dieser Beitrag erkundet die Frage nach der Reversibilität demokratischen Rechts in Zeiten globaler Nachhaltigkeitskrisen. Er leitet dabei aus allgemeinen demokratietheoretischen Überlegungen ein Verfassungsprinzip demokratischer Nachhaltigkeit ab, das die demokratische Selbstbestimmung künftiger Generationen ernstnimmt und rechtlich schützt.

  • Irina Lehner, ZĂĽrich, Direkte Demokratie vs. EU-Recht? - Die Bewältigung von Konflikten zwischen Volksinitiativen und PersonenfreizĂĽgigkeitsabkommen Schweiz–EU durch den schweizerischen Gesetzgeber am Beispiel der Masseneinwanderungsinitiative

    Der schweizerische Gesetzgeber hat die Aufgabe, Staatsverträge und durch Volksinitiativen geschaffenes Verfassungsrecht in Gesetzen umzusetzen. Diese Aufgabe ist spannungsgeladen, wenn dabei Konflikte zwischen Normen wie denjenigen der Masseneinwanderungsinitiative und wichtigem Staatsvertragsrecht wie dem Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU zu bewältigen sind. Wie sich am gewählten Beispiel zeigt, räumt sich der Gesetzgeber dabei große Spielräume gegenüber dem Verfassungstext ein. Gleichzeitig schwächt das Parlament die eigene Rolle im Verhältnis zum Bundesgericht zu stark und verliert so an Legitimationskraft für die heikle Konfliktbewältigung.

Kleinere Beiträge

  • Jan Philip KĂĽhne, Passau, Forschungsdaten zwischen den Welten: Zur unzulässigen Durchsuchung eines Universitätslehrstuhls im Zuge von ErmittlungsmaĂźnahmen – Zugleich Besprechung von BVerfG, Beschluss vom 25.9.2023, 1 BvR 2219/20

    Die durch die Beschlagnahme von Forschungsdaten an einem Universitätslehrstuhl im Jahr 2020 angestoßene Debatte wurde durch den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.9.2023 erneut entfacht. In seinem bemerkenswerten Obiter Dictum erklärt das Gericht nicht nur das Vorgehen der Ermittlungsbehörden für verfassungswidrig, sondern gibt erneut Anlass, sich der Bedeutung der Vertraulichkeit für die Forschung bewusst zu werden. Der nachfolgende Beitrag ordnet die Entscheidung in das ihr zugrundeliegende Spannungsverhältnis zwischen Forschungsfreiheit und Strafrechtspflege ein und aktualisiert zugleich die mehr denn je relevante Frage nach einer Gesetzesänderung.

Buchbesprechungen

  • Henrik Eibenstein, Das mit ParitĂ©-Gesetzen verfolgte Leitbild der Gruppensouveränität vor dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip (Matthias Friehe)
  • Maurice Pope, The Keys to Democracy (Philipp Deeg)

Rechtsprechung

  • BVerfG (Kammer), Beschluss vom 25.9.2023 – 1 BvR 2219/20 – Durchsuchung eines Universitätslehrstuhls zur Auffindung von Forschungsunterlagen (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) (vgl. Beitrag KĂĽhne)

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen

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