Ausgabe 8/2010, April

Abhandlungen

  • Bardo Fassbender, München, Triepel in Luxemburg – Die dualistische Sicht des Verhältnisses zwischen Europa- und Völkerrecht in der „Kadi-Rechtsprechung“ des EuGH als Problem des Selbstverständnisses der Europäischen Union

    Mit seinem Kadi-Urteil vom September 2008 hat sich der EuGH, so die These dieses Beitrags, von seinem bisherigen, jedenfalls grundsätzlich monistischen Verständnis des Verhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht abgekehrt und die „Autonomie“ der Gemeinschaftsrechtsordnung auch gegenüber dem Völkerrecht postuliert. Mit dieser Wendung zum klassischen Dualismus, der die Europäische Union ein deutliches Stück näher an den Staat rückt, stellt sich der EuGH jedoch in eine problematische Tradition. Denn ideengeschichtlich ist die dualistische Lehre untrennbar mit dem Nationalismus ihrer Entstehungszeit verbunden, dem in seinem Beharren auf der einzelstaatlichen Souveränität die Idee einer supranationalen Organisation völlig fremd war. Die Kadi-Rechtsprechung widerspricht nicht nur der völkerrechtlichen Genese der Europäischen Gemeinschaft. Die vom EuGH beabsichtigte Stärkung des Gemeinschaftsrechts nach außen könnte sich auch als problematisch für die Stellung dieses Rechts im Inneren der Union und insofern als kontraproduktiv erweisen.

  • Markus Ogorek, Köln, Der Schutz anerkannter Ersatzschulen durch das Grundrecht der Privatschulfreiheit

    Die Zeugnisse einer genehmigten Ersatzschule in privater Trägerschaft verleihen nach überkommener Lehre nicht die gleichen Berechtigungen wie die Zeugnisse öffentlicher Schulen. Etwas anderes soll nur unter der Voraussetzung gelten, dass die Ersatzschule staatlicherseits anerkannt worden ist. Da das Bundesverfassungsgericht den Ersatzschulen hierauf keinen verfassungsverbürgten Anspruch zuerkannt hat, wird die Anerkennung in der Praxis regelmäßig von einer weitgehenden Anpassung an die öffentlichen Schulen abhängig gemacht. So müssen die Ersatzschulen z.B. die für entsprechende öffentliche Schulen geltenden Aufnahme- und Versetzungsbestimmungen anwenden. Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass die verfassungsrechtlich garantierten Gestaltungsspielräume der Ersatzschulen durch das Institut der Anerkennung ausgehebelt werden. Das wirft die Frage auf, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich die Träger von Ersatzschulen unter Berufung auf das Grundrecht der Privatschulfreiheit gegen die mit der Anerkennung verbundenen Vorgaben zur Wehr setzen können.

  • Sven Polenz, Kiel, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der öffentlichen Hand

    Vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung befasst sich der vorliegende Beitrag insbesondere mit der Frage, inwiefern sich die öffentliche Hand auf den Schutz eigener Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen kann und ob den Mitarbeitern öffentlicher Stellen vor allem aus wettbewerbsrechtlicher sowie strafrechtlicher Sicht hieraus Geheimhaltungsverpflichtungen erwachsen können. Dabei soll auch auf die Anwendung der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder eingegangen werden.

  • Christina Hientzsch, Düsseldorf, „Gezwitscherte“ Wahlergebnisse – Veröffentlichung von Wählerbefragungen vor Ablauf der Wahlzeit

    Das Wahlrecht ist aufgrund neuester technischer Entwicklungen um ein Problem bereichert: Der Kurznachrichtendienst Twitter (deutsch: Gezwitscher) macht es möglich, Informationen in Echtzeit der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich zu machen. Ob eine Veröffentlichung von Wählerbefragungen nach Abgabe der Stimme, aber vor dem eigentlichen Ende der Wahlzeit gegen geltendes Recht verstößt, welche Rechtsfolgen dieser Verstoß nach sich zieht und ob sich hieraus die Möglichkeit der Wahlanfechtung ergibt, ist Thema des vorliegenden Beitrags.

Buchbesprechungen

  • Burkard Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren (Ulrich Stelkens)
  • Matthias Herdegen/Hans Hugo Klein/Hans-Jürgen Papier/Rupert Scholz (Hrsg.), Staatsrecht und Politik, Festschrift für Roman Herzog zum 75. Geburtstag (Ulrich Karpen)
  • Verein der Richter des Bundesverfassungsgerichts (Hrsg.), BVerfGK – Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts; Band 11 (Heinrich Amadeus Wolff)

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen


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