Ausgabe 7/2010, April

Thematischer Schwerpunkt: Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts II

Abhandlungen

  • Erich Röper, Bremen, Der Souveränitäts- und Volksbegriff des Bundesverfassungsgerichts

    Der Lissabon-Vertrag sei verfassungskonform, so das Bundesverfassungsgericht. Die Mitwirkung von Bundestag und Bundesrat an der Europapolitik müsse aber gestärkt werden. Ausgeschlossen ist Deutschlands Beitritt zu einem europäischen Bundesstaat, obwohl die Präambel und Art. 23 GG es als Ziel deutscher Politik nennen. Die Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 GG sichere die nationalstaatliche Souveränität. Darüber könne auch keine Volksabstimmung verfügen. Abgesehen von der erstaunlichen Vorstellung von Verfassungsidentität berücksichtigt das Urteil weder das Fehlen vor allem der wirtschafts- und finanzpolitischen Souveränität aller Staaten Europas unter den Bedingungen der Globalisierung noch setzt es sich mit der veränderten Bevölkerungszusammensetzung und damit dem Volksbegriff auseinander. Seine Wahlrechtsanforderungen an ein künftiges Europaparlament dienen deutscher Suprematie.

  • Birgit Daiber, Berlin, Die Umsetzung des Lissabon-Urteils des Bundesverfassungsgerichts durch Bundestag und Bundesrat

    Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Er erläutert, wie die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes dieses Urteil umgesetzt haben. Dazu stellt er zunächst die von Bundestag und Bundesrat erlassenen Gesetze vor. Im Anschluss daran untersucht er, ob sich weiterer Umsetzungsbedarf aus der Tatsache ergibt, dass das Bundesverfassungsgericht das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon „nach Maßgabe der Gründe“ für verfassungsgemäß erklärt hatte. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf die Frage, ob ein zusätzliches verfassungsgerichtliches Verfahren zur Kontrolle von Europarecht eingeführt werden sollte.

  • Ulrich Jan Schröder, Münster, Die offene Flanke – Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon

    Mit der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon hat das Bundesverfassungsgericht eine Debatte über Inhalt, Zweck und Wert der deutschen Souveränität im europäischen Integrationsprozess angestoßen. Es hat aber auch die Begleitgesetzgebung zu einer dogmatischen Kategorie mit eigener Relevanz aufgewertet. Unklar bleibt der rechtliche Grund für das vom Gericht angenommene Junktim zwischen Begleitgesetzgebung und Zustimmungsgesetz. Unklar sind darüber hinaus die Rechtsbindungen (und damit der Nutzen) eines „vor die Klammer gezogenen“ Beteiligungsgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat mit der Forderung nach einer Begleitgesetzgebung ebenso wie bei der Formulierung integrationsfester Sach- und Regelungsbereiche einem paternalistischen Affekt gegenüber dem Gesetzgeber nachgegeben.

  • Tonio Gas, Osnabrück, Macht das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Option der De-facto-Subsidiaritätsklage durch ein Bundesland unmöglich?

    Das Subsidiaritätsprotokoll zum Lissabonner Vertrag regelt in seinem Art. 8 Abs. 1, dass auch nationale Parlamente und Parlamentskammern Nichtigkeitsklage wegen Verstoßes eines EU-Rechtsakts gegen das Subsidiaritätsprinzip erheben können. Kann der Bundesrat innerstaatlich zur Klage verpflichtet werden, wenn eine Minderheit oder die Vertreter eines einzelnen Bundeslandes es verlangen? Dies könnte gegen Art. 8 Abs. 1 SubsProt, aber auch gegen Verfassungsrecht verstoßen. Bei letzterem droht übersehen zu werden, dass das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hierzu indirekte Aussagen trifft: Seine Rechtfertigung, beim Bundestag die Klage auf Minderheitenantrag zuzulassen, bemüht Argumente, die sich wegen einer fundamentalen Wesensverschiedenheit nicht auf den Bundesrat übertragen lassen.

Buchbesprechungen

  • Peter Neumann, Sachunmittelbare Demokratie im Bundes- und Landesverfassungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder; Johannes Rux, Direkte Demokratie in Deutschland; Hanns-Jürgen Wiegand, Direktdemokratische Elemente in der deutschen Verfassungsgeschichte (Hartmut Maurer)
  • Hans-Jürgen Schmidt, Betriebswirtschaftslehre und Verwaltungsmanagement; 7. Auflage (Ulrich Keilmann)

Umfangreiche Rechtsprechung in Leitsätzen


Vollständiges Inhaltsverzeichnis

Diese Ausgabe bei beck-online.de lesen

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.